“Vor der Boulangerie eines kleinen Örtchens im schweizerischen Kanton Waadt ist an diesem Morgen in zweiter Reihe ein Traktor geparkt. Klein, knallrot, knuffig. Er will nicht recht zur automobilen High Society hier am Lac Léman passen. Schwere Oberklasselimousinen und rassige Sportwagen drücken sich auf die Straße – das mondäne Genf und Lausanne, die Hauptstadt des olympischen Sports, sind nicht weit entfernt. Doch irgendwie passt das Ackergerät hierher. Es ist ein Porsche- Diesel Junior, Baujahr 1958. Und gleich wird jemand aufsteigen, der den Glamour mit sich bringt.
In handgenähten Schuhen erklimmt Karl-Friedrich Scheufele den Einzylinder, die Brötchentüte in der Hand. Sichtbar kein Landwirt, sondern der Co-Präsident des Genfer Uhren- und Schmuckhauses Chopard. Er befindet sich auf Sonntags- fahrt. Routiniert führt er das Startprozedere des Porsche-Schleppers durch: Handgas- hebel gegen den Uhrzeigersinn Richtung Vollgas schwingen, den untypisch für einen Porsche rechts untergebrachten Zündschlüssel niederdrücken, zum Vorglühen den Zugknopf links halb gezogen einige Sekunden halten, dann ganz herausziehen. Jetzt dreht der Anlasser, nach kurzer Zeit läuft der Selbstzünder ohne dessen Unterstützung. Das Kupplungspedal muss kraftvoll niedergerungen werden. Es ist, als wolle es die Schuhnaht auf ihre Güte prüfen. Handbremse rechts lösen, erster Gang. Los.”
Text erschienen in Christophorus 01/2019, Delius Klasing Verlag 2019